Entspricht der Marktwert auch dem Kaufpreis?
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Der Marktwert wird vom Gutachter oder Fachmakler sachverständig festgestellt. Wenn alles richtig gemacht wurde, dann sollte der Marktwert auch dem Kaufpreis entsprechen. In der Praxis erkennen viele Marktteilnehmer z.T. erhebliche Abweichungen zwischen Marktwerten und Kaufpreisen. Was ist da schief gelaufen? Oder muss der Marktwert gar nicht dem Kaufpreis entsprechen? Aber für was soll dann der Marktwert überhaupt gut sein? Diese Fragen werden in diesem Artikel beantwortet.
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1. Die gesetzliche Grundlage des Marktwertes
Der Marktwert ist in § 194 BauGB juristisch definiert. Dort heißt es:
„Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“
Damit ist schon einmal geklärt, dass der Marktwert dem Verkehrswert entspricht. Der Gesetzgeber hat bis 2004 nur den Begriff „Verkehrswert“ definiert. Mit dem Zusatz „Marktwert“ sollte klargestellt werden, dass der Verkehrswert ein marktkonformes Ergebnis liefern muss und keinen technokratisches Wert auf der Grundlage „staubiger“ Zahlentabellen.
2. Der Wert für „Jedermann“
Nach allgemeinem Verständnis hat die Verkehrswertermittlung zum Ziel, den (Kauf)Preis zu schätzen, der auf dem örtlichen Grundstücksmarkt bei freihändigem Angebot und zwangloser Nachfrage in einer den Marktgepflogenheiten angemessenen Verhandlungsdauer (Vermarktungsdauer) für ein Grundstück am wahrscheinlichsten zu erzielen ist. Bei der Ermittlung des Verkehrswerts ist demnach dem durchschnittlichen Verhalten von Anbietern und Nachfragern (Jedermanns (Preis)Verhalten) beim Aushandeln von Grundstückspreisen Rechnung zu tragen.
Die Bezeichnung „Jedermanns (Preis)Verhalten“ ist symbolisch zu verstehen. Sie gilt auch für die Bewertung eines Grundstücks mit einmaligen wertbedeutsamen Eigenschaften, die nur für wenige oder gar einen Einzelnen von Interesse sind. Dass im Rahmen der Verkehrswertermittlung das „durchschnittliche Verhalten“ von Anbietern und Nachfragern sowie das Jedermanns (Preis)Verhalten zu Grunde zu legen ist, entspricht auch dem Verständnis der einschlägigen Rechtsprechung: „Maßstab ist nicht der höchstmögliche Preis, sondern der bei einem Verkauf im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach marktangemessenen Aushandeln eines offen – nicht notwendig durch offene Ausschreibung – angebotenen Objekts durchschnittlich erzielte Preis. …“ (KG Berlin, 26.08.2010 – 22 U 179/09 – 2. u. 3. Leitsatz; Nachfolgend BGH, 28.04.2011 – V ZR 192/10).
3. Werte sind objektiv, Preise sind subjektiv
Das Ziel der Verkehrswertermittlung ist es nicht, den mit (Sonder)Interessenten bestverhandelbaren, höchsten Kaufpreis für ein Wertermittlungsobjekt zu bestimmen, sondern den am Wertermittlungsstichtag auf dem örtlichen Grundstücksmarkt unter wirtschaftlich handelnden Marktteilnehmern am wahrscheinlichsten erzielbaren Kaufpreis. Das Synonym „wahrscheinlichster Kaufpreis“ für den Begriff Verkehrswert zeigt, dass ein in einem tatsächlichen Kauffall erzielter Kaufpreis von einem vorher ermittelten Verkehrswert sowohl positiv als auch negativ abweichen kann. Der Verkehrswert ist demnach nicht mit „100prozentiger Sicherheit oder Genauigkeit“ ermittelbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass der übliche Kaufpreis im nächsten üblichen Kauffall dem ermittelten Verkehrswert entspricht, ist jedoch am höchsten. Die Wahrscheinlichkeit für höhere oder niedrigere noch übliche Kaufpreise im Vergleich zum Verkehrswert nimmt stetig ab, je größer die Abweichung ist. Diese Sichtweise entspricht auch der obergerichtlichen Rechtsprechung (z.B. OLG Rostock, Urteil vom 27.06.2008 – 5 U 50/08 oder BFH-Beschluss vom 22.5.2002 (II R 61/99)). Auch Abweichungen von z.B. +/- 10 % von möglichen tatsächlichen Kaufpreisen im Vergleich zu einem (vorher ermittelten) Verkehrswert sind demnach nicht außergewöhnlich bzw. lassen den Verkehrswert als unrichtig gelten.
Beim Vorliegen von Sonderinteressen (z.B. Verwandtschaftsverkäufe, Liebhaberpreise, Notverkäufe etc.) entspricht der Marktwert nur selten dem Kaufpreise. Der Verkehrswert bündelt eine Vielzahl an tatsächlich realisierten Kaufpreisen, während der Einzelkaufpreis auf der Basis von subjektiv geprägten Informationen und Interessen basiert. Der Marktwert muss also nicht zwingend dem Kaufpreis entsprechen. Jedoch bei Bewertung aller wertrelevanten Eigenschaften und unter Berücksichtigung der allgemeinen Angebots- und Nachfragesituation ist der Verkehrswert (Marktwert) mit großer Sicherheit das Verhandlungsergebnis zwischen Eigentümern und Käufern.